JUMS trifft … Philipp Schiele

JUMS veröffentlicht nicht nur – wir recherchieren auch.

Regelmäßig treffen wir unsere JUMS-Autor:innen, aber auch Professor:innen und Wissenschaftler:innen, unterhalten uns über deren Abschlussarbeiten und bitten diese um wichtige Tipps zum Schreiben von Abschlussarbeiten.

Heute haben wir uns mit Philipp Schiele von der Ludwigs-Maximilians-Universität München getroffen, dessen Masterarbeit „Modern Approaches to Dynamic Portfolio Optimization“ in der 18. Ausgabe von JUMS veröffentlicht wurde.

Steckbrief: Philipp Schiele

Titel der Arbeit:
Modern Approaches to Dynamic Portfolio Optimization
Art der Arbeit, Hochschule:
Masterarbeit, Ludwig-Maximilians-Universität München
Aktuelle Tätigkeiten:
Quantitative Strategist bei Scalable Capital
JUMS- Ausgabe:

Junior Management Science 6(1), 2021, S. 149-189

Artikel-Seite:

Interview

JUMS: Lieber Philipp, in Deiner Masterarbeit beschäftigst Du Dich mit der Optimierung von Portfolios mithilfe von Machine Learning, insbesondere neuronalen Netzwerken. Was hat Dich an dieser Thematik besonders fasziniert?

Philipp Schiele:

Das Thema Machine Learning hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Große Erfolge wurden hierbei unter anderem durch den Einsatz neuronaler Netze verzeichnet. Generell liegt es in der Natur der Finanzmärkte, dass für die Portfoliooptimierung erforderliche Prognosen mit hoher Unsicherheit verbunden sind. Auch der Einsatz neuronaler Netze ändert sicher nichts an der Tatsache, dass diese Vorhersagen sehr schwierig sind. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, war die Kombination der beiden Themengebiete für mich besonders faszinierend.

JUMS: Was sind neuronale Netze und wieso können diese für die Portfoliooptimierung interessant sein?

Philipp Schiele:

Bei künstlichen neuronalen Netzen werden mehrere einfache Modellkomponenten so kombiniert, dass das Gesamtmodell komplexe Zusammenhänge abbilden kann. Der Name stammt daher, dass es einige konzeptionelle Parallelen zu biologischen Nervensystemen gibt. Diese Modelle werden auf einem Datensatz der Vergangenheit „trainiert“ und es können anschließend Vorhersagen getroffen werden. Bei Finanzzeitreihen ist es jedoch grundsätzlich sehr schwer, auf Basis vergangener Daten zukünftigen Renditen zu prognostizieren, man spricht von einem niedrigen Signal-Rausch-Verhältnis. Neuronale Netze konnten jedoch bereits in anderen Anwendungsgebieten subtile Muster aufdecken, was sie auch für den Einsatz mit Finanzdaten interessant machen könnte.

JUMS: Welche drei verschiedenen Typen an neuronalen Netzwerken nutzt Du in Deiner Arbeit für Deine Berechnungen? Welche Unterschiede haben sich dabei ergeben?

Philipp Schiele:

In meiner Arbeit nutze ich zunächst ein so genanntes Multilayer-Perceptron (MLP), welches oft als das „Standard“ Netzwerk bezeichnet wird. Man kann sich diesen Netzwerktyp vereinfacht als Kombination mehrerer logistischer Regressionen vorstellen. Die Koeffizienten dieser Regressionen werden zunächst zufällig initialisiert und dann so angepasst, dass der Prädiktionsfehler minimiert wird. Da es sich bei der Modellierung von Aktienrenditen um Zeitreihen handelt, wurde außerdem ein Long short-term memory (LSTM) Netzwerk eingesetzt, da dieses speziell für Daten sequenzieller Natur entwickelt wurde und somit eine naheliegende Alternative zum MLP darstellte.  Außerdem kam ein Convolutional Neural Network (CNN) zum Einsatz. Diese sind insbesondere in der Analyse von Bilddaten verbreitet, können jedoch auch im Kontext einer Zeitreihe verwendet werden.

JUMS: Gab es bei Deinen Ergebnissen Überraschungen? Wenn ja, welche und warum haben sie Dich überrascht?

Philipp Schiele:

Tatsächlich war ich etwas überrascht, dass das häufig bei Zeitreihen eingesetzte LSTM Modell nicht besser und in einigen Analysen sogar schlechter abschnitt als die anderen beiden Modelle. Das Ziel der Arbeit war es nicht, ein Modell möglichst gut an den Datensatz anzupassen, sondern zu untersuchen, wie gut die Modelle mit gängigen Standardwerten funktionieren. Daher hätte hier möglicherweise eine andere Parametrisierung besser funktioniert.

JUMS: Welche praktischen Implikationen konntest Du aus Deinen Erkenntnissen ableiten? Was bedeuten Deine Ergebnisse für Investoren? Gibt es dabei Unterschiede zwischen Privatpersonen und Investmentbanken?

Philipp Schiele:

Ich denke, es gibt einen großen Unterschied zwischen einer empirischen Analyse und einer in der Praxis profitablen Anlagestrategie. Dennoch halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass neuronale Netze in bestimmten Bereichen der Portfoliooptimierung sinnvoll eingesetzt werden können.

Institutionelle Anleger:innen verfügen über mehr Ressourcen zur Entwicklung von komplexen Modellen. Es wird jedoch zunehmend auch Privatanleger:innen leichter, eigene Modelle zu entwickeln und profitabel in Nischen zu agieren. Zu der Demokratisierung trägt insbesondere die ständig sinkende Einstiegshürde bei der Entwicklung eigener Modelle bei. Es existieren erstklassigen Lernmaterialien und auch komplexere Modelle können inzwischen leicht auf einer hohen Abstraktionsebene implementiert werden.

JUMS: Wie kam es dazu, dass Du Deine Abschlussarbeit bei JUMS eingereicht hast?

Philipp Schiele:

Bereits in meinem ersten Mastersemester erwähnte Prof. Florysiak die Möglichkeit, Abschlussarbeiten mit nur wenigen Klicks bei JUMS einzureichen. Auch wenn die eigene Arbeit zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne schien, blieb mir diese Aussage im Gedächtnis. Drei Semester später war die eigene Arbeit dann fertiggestellt und ich habe positives Feedback von meinen Betreuern Prof. Mittnik und Dennis Mao erhalten. Daher habe ich die Arbeit bei JUMS eingereicht. Da ich inzwischen selbst promoviere, war es für mich besonders interessant, hierbei bereits einen kompletten Review-Prozess zu durchlaufen.

JUMS: Welche Tipps kannst Du unseren Leser:innen mitgeben, die das Schreiben ihrer Abschlussarbeiten noch vor sich haben?

Philipp Schiele:

Man sollte das Ziel stets vor Augen haben, auch wenn es mal schwerfällt.

Neben der Fachliteratur zum eigenen Thema lohnt es sich sicher auch, zu Beginn durch die eine oder andere Ausgabe der JUMS zu blättern um zu sehen, wie andere Absolvent:innen ihre Arbeit aufgebaut haben.

JUMS: Zum Abschluss des Gesprächs gibt es bei uns immer einen kleinen Ergänzungssatz,

den wir Dich bitten würden, zu vervollständigen: “Eine Abschlussarbeit zu schreiben,

bedeutete für mich…”

Philipp Schiele:

… sich eigenständig in ein interessantes Thema einzuarbeiten, gelerntes aus dem Studium umzusetzen sowie viel Neues zu lernen.

Vielen Dank für diese spannenden Einblicke und für Deine Zeit, lieber Philipp. JUMS wünscht Dir viel Erfolg für die Zukunft und wir würden uns sehr freuen, auch in der Zukunft wissenschaftliche Arbeiten von Dir zu lesen!