JUMS trifft … Oriana Wendenburg

JUMS veröffentlicht nicht nur – wir recherchieren auch.

Regelmäßig treffen wir unsere JUMS-Autoren, aber auch Professoren und Wissenschaftler, unterhalten uns über deren Abschlussarbeiten und bitten diese um wichtige Tipps zum Schreiben von Abschlussarbeiten.

Heute haben wir uns mit Oriana Wendenburg von der Universität zu Köln getroffen, deren Masterarbeit „The Effect of Gratitude on Individuals’ Effort – A Field Experiment“ in der 17. Ausgabe von JUMS veröffentlicht wurde.

Steckbrief: Oriana Wendenburg

Titel der Arbeit:

The Effect of Gratitude on Individuals’ Effort – A Field Experiment

Art der Arbeit, Hochschule:

Masterarbeit, Universität zu Köln

Aktuelle Tätigkeiten:

Consultant

JUMS Ausgabe:

Junior Management Science 5(4), 2020, 429-451

Artikel-Seite:

jums.academy/o-wendenburg/

Interview

JUMS: Liebe Oriana, in Deiner Masterarbeit hast Du Dich mit den Auswirkungen von gezeigter Wertschätzung auf die Produktivität und Leistung von Menschen auseinandergesetzt. Wie kam es zu diesem Thema? Hast Du persönliche Erfahrungen gemacht, die Dich Deine Hypothese, dass mehr Wertschätzung zu mehr Produktivität führt, aufstellen haben lassen?

Oriana Wendenburg:Ich habe während meines Studiums in verschiedenen Unternehmen als Praktikantin Luft schnuppern dürfen und habe unterschiedliche Führungsstile beobachtet und selbst kennen gelernt. Persönlich habe ich gemerkt, dass mir entgegengebrachte Wertschätzung indirekt einen sehr motivierenden Einfluss auf meiner Leistung hatte. Also ja, ich habe die persönliche Erfahrung gemacht und bin überzeugt, dass es vielen meiner Kommiliton:innen ähnlich ging.

JUMS: Deine Masterarbeit ist betitelt als „Field Experiment“. Kannst Du uns kurz erklären, was das bedeutet?

Oriana Wendenburg: Field Experimente werden in einer natürlichen, realistischen Umgebung vollzogen, während Labor Experimente in einer speziell geschaffenen, künstlichen und stark von Forschern beeinflussten Situation stattfinden. Den Teilnehmer:innen eines Field Experiments soll im besten Fall gar nicht bewusst sein, dass sie Teil eines Experimentes sind, um sie dadurch nicht indirekt zu beeinflussen.

JUMS: Wie bist Du die Fragestellung angegangen und welche Experimente hast Du gemacht?

Oriana Wendenburg: Ich habe mir erstmal überlegt wie ich das eigentliche Experiment in meinem Online-Fragebogen integrieren kann, ohne dass den Teilnehmer:innen darüber klar wird. Schlussendlich habe ich mich dazu entschlossen das Experiment an das Ende des ersten Fragebogens zu platzieren, um mir anschauen zu können inwiefern die Teilnehmer:innen bereit waren durch ausgedrückte Dankbarkeit einen zweiten Fragebogen auszufüllen. Um zusätzlich eine quantitative Aussage treffen zu können, habe ich in beiden Fragebögen „effort-tasks“ eingebaut anhand derer ich messen konnte wie viel Aufwand tatsächlich betrieben wurde und ob im zweiten Fragebogen der betriebene Aufwand des Proband:innen tendenziell höher war. Beide Fragebögen waren also für alle Stichproben gleich, einzig die entgegengebrachte Wertschätzung in Form einer Notiz oder eines persönlichen Videos hat sich in den beobachteten Gruppen unterschieden.

JUMS: In Deiner Arbeit weist Du nach, dass eine kleine Dankesnotiz die erwünschte Produktivitätssteigerung zur Folge hat, dass aber ein größeres Dankeschön, etwa in Form eines Videos, die Produktivität nicht entsprechend mehr steigert, obwohl der größere Aufwand der Videoerstellung ja eine größere Dankbarkeit signalisieren könnte. Wie erklärst Du Dir das?

Oriana Wendenburg: Tatsächlich ist das ein sehr verwunderliches Ergebnis, worüber ich mir lange Gedanken gemacht habe. Es kann verschiedene Gründe geben warum die Leistungsbereitschaft in der Video-Stichprobe geringer war. Zum einen ist eine Videobotschaft am Ende eines Online-Fragebogens sehr ungewöhnlich und könnte von den Proband:innen als manipulativ oder noch schlimmer als „zu übertrieben“ interpretiert worden sein. Zum anderen knüpft das Ergebnis an das Phänomen von „gender-pairing“ an. Dieses besagt, dass sich das Verhalten von Individuen je nach Geschlecht des Individuums, mit dem sie interagieren signifikant verändern kann. Die Literatur zeigt, dass sich eine Frau gegenüber einer anderen Frau weniger wohlwollend verhalten kann als gegenüber einem Mann. Erklärt wird dieses Verhalten durch eine „mögliche Gefahr“, welche die eine Frau für die andere darstellen könnte. Tatsächlich haben meine Auswertungen der Video-Stichprobe ergeben, dass Frauen weniger leistungsbereit waren als Männer, was mich diesen Phänomenen als Ursache nicht ausschließen lässt.

JUMS: Wenn Du Dir die Wirtschaftswelt ansiehst, findest Du, dass wir dankbar genug für die Leistungen anderer sind? Was können Unternehmen, insbesondere vielleicht die Human Resources Abteilungen oder Führungskräfte selbst, auf Grundlage Deiner Erkenntnisse besser machen?

Oriana Wendenburg: Dankbar ja, aber ich glaube es könnte noch viel mehr zum Ausdruck gebracht werden. Insbesondere HR kann hier einen Beitrag leisten, indem sie im Rahmen der Personal- bzw. Führungsentwicklung sicherstellen, dass den zuständigen Führungskräften der maßgebliche Einfluss von Wertschätzung insbesondere im direkten Vorgesetzten Verhältnis bewusst wird. Aber nicht nur in der Personalentwicklung, sondern auch für das Recruiting & Employer Branding birgen die Ergebnisse meiner Arbeit praktische Implikationen. In Zeiten von Fachkräftemangel ist es wahnsinnig wichtig gute Mitarbeiter:innen halten zu können und da geht es meistens schon mit dem Praktikanten oder der Werkstudentin los. Wenn der Vorgesetzte die Arbeit des Praktikanten wertschätzt und ihm oder ihr das auch so offen zeigt, erhöht das automatisch die Chancen, dass er oder sie sich langfristig in dem Unternehmen sehen und/oder das Unternehmen positiv in Erinnerung behält und das auch in seinem Freundes- und Bekanntenkreis so kommuniziert. Das soll keinesfalls heißen, dass man ab jetzt massig Lob ausschütten soll um seine Mitarbeiter zu halten – aber ich bin mir sicher, dass es (wo angebracht) auch niemandem schaden würde einfach mal öfter „Danke – das hast du gut gemacht“ zu sagen.

JUMS: Wie kam es dazu, dass Du Deine Masterarbeit bei JUMS eingereicht hast?

Oriana Wendenburg: Ich bin schon während meines Bachelorstudiums an der LMU von meinem Bachelorarbeit Professor auf JUMS aufmerksam gemacht worden. Damals hatte ich mich intensiv mit den gesundheitlichen Folgen von destruktiver Führung auseinandergesetzt. Ich weiß nicht mehr genau, warum ich meine Arbeit dann doch nicht eingereicht hatte, aber während meiner Recherche für die Masterarbeit bin ich erneut auf JUMS gestoßen und habe mein Glück versucht.

JUMS: Du hast Deinen Master abgeschlossen und bist nun als Consultant tätig. Wie sehen Deine Zukunftspläne aus? Planst Du, irgendwann nochmal zurück an die Uni zu gehen?

Erstmal bin ich dankbar dafür einen Job gefunden zu haben der mir Spaß bringt, mich fordert und gleichzeitig erfüllt. Irgendwann zurück an die Uni zu gehen schließe ich aber nicht aus.

JUMS: Zum Abschluss des Gesprächs gibt es bei uns immer einen kleinen Ergänzungssatz, den wir Dich bitten würden, zu vervollständigen: “Eine Abschlussarbeit zu schreiben, bedeutete für mich…”

Oriana Wendenburg: … mich tiefgründig mit einem Thema auseinanderzusetzen, dass mich im Alltag immer wieder aufs Neue begleitet.

Vielen Dank für diese spannenden Einblicke und für Deine Zeit, liebe Oriana. JUMS wünscht Dir viel Erfolg für die Zukunft und wir würden uns sehr freuen, auch in der Zukunft wissenschaftliche Arbeiten von Dir zu lesen!