JUMS trifft … Nina Gusenleitner

JUMS veröffentlicht nicht nur – es recherchiert auch.

Regelmäßig versuchen wir uns dazu mit ehemaligen Autoren aus unserem Journal, aber auch Professoren und Wissenschaftlern zu treffen und diese um Tipps zum Schreiben von Abschlussarbeiten zu beten. Schließlich sind sie es, die aus eigener Erfahrung am besten berichten können, was das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit ausmacht.

Heute haben wir uns dazu mit Nina Gusenleitner, Absolventin der Johannes Kepler Universität Linz getroffen, deren Diplomarbeit ‚Practical Implications of the Ambidexterity Concepts‘  in der letzten Ausgabe von JUMS ausgezeichnet wurde. Im folgenden Interview berichtet sie nicht nur von den Besonderheiten einer Diplomarbeit, sondern auch von ihrem weiteren akademischen Werdegang und gibt aus ihrer erfahrenen Sicht wertvolle Tipps für jüngere Studierende.

Steckbrief: Nina Gusenleitner

Titel der Arbeit:
Practical Implications of the Ambidexterity Concepts

Art der Arbeit, Hochschule:
Diplomarbeit, Johannes Kepler Universität Linz

Aktuelle Tätigkeiten:
Studentin im Masterstudium „General Management“ (JKU); PhD-Kandidatin am Institut für Human Resource und Change Management der JKU Linz

JUMS-Ausgabe:
Junior Management Science 1 (2016), 138-187

Artikel-Seite:
https://jums.academy/practical-implications-of-the-ambidexterity-concepts-gusenleitner/

Interview

JUMS: Liebe Frau Gusenleitner, als einzige Diplomarbeit der ersten Ausgabe von JUMS fällt Ihre Arbeit etwas aus der Reihe. Können sie kurz erläutern, was der Unterschied zwischen einer Diplom- und einer Masterarbeit ist?

 

Nina Gusenleitner: Im Vergleich zu den anderen Arbeiten in der ersten Ausgabe von JUMS fällt auf, dass meine Arbeit länger ist. Eine Diplomarbeit ist, zumindest in Österreich, umfangreicher als eine Masterarbeit. Während bei einer Diplomarbeit etwa 100 Seiten erwartet werden, sind es bei der Masterarbeit zwischen 60 und 80 Seiten, was aber auch von Studienrichtung zu Studienrichtung variieren kann. Ob die Arbeit eine Literaturarbeit oder eine empirische Studie umfasst, ist dabei unerheblich.

 

JUMS: In Deutschland ist das BWL Studium üblicherweise in drei Jahre Bachelor und zwei Jahre Master unterteilt, ggf. gefolgt von einer Promotion. Wie ist der normale Verlauf an der Johannes Kepler Universität Linz? Was sind die Hauptunterschiede im Ländervergleich?

 

Nina Gusenleitner: Ich war eine der Letzten, die sich 2010 noch ins Diplomstudium der Johannes Kepler Universität Linz inskribieren konnte. Danach erfolgte auch an der JKU eine Umstellung auf das Bachelor- und Master-System in den Wirtschaftswissenschaften. Das Diplomstudium in den Wirtschaftswissenschaften dauert mindestens vier Jahre, das heißt, man „erspart“ sich ein Jahr im Vergleich zum neuen System. Obwohl das Diplomstudium schneller zu absolvieren ist, als das Bachelor- und Masterstudium, hat ein Magistertitel in Österreich meiner Meinung nach einen mindestens so hohen Stellenwert wie der Mastertitel. Für ein direkt anschließendes Doktoratsstudium entscheiden sich nur wenige Studierende. Die meisten DissertantInnen an der JKU sind, nach meiner Erfahrung, schon mehrere Jahre berufstätig oder wissenschaftliche Mitarbeiter an der Uni.

 

JUMS: Sie befinden sich aktuell im PhD-Programm der Universität Linz. Was hat Sie zur Entscheidung gebracht zu promovieren und gibt es Momente, in denen Sie diese Entscheidung bereuen?

 

Nina Gusenleitner: Die Motivation mich für ein Doktoratsstudium zu inskribieren ist in der Zeit entstanden, in der ich als Studienassistentin für das Human Resource und Change Management Institut der JKU gearbeitet habe. Am selben Institut habe ich auch meine Diplomarbeit verfasst. Da ich dort Unterstützung von allen Seiten erfahren habe, habe ich mich dann für ein Doktorat entschlossen. Zurzeit bin ich auch im Masterstudium „General Management“ der JKU. Da ich also ohnehin an der Uni bin, nutze ich parallel die Gelegenheit, um die Grundkurse des Doktorats zu machen und mein Dissertationsthema zu formulieren. Da ich erst in der Anfangsphase meines Doktorats bin, habe ich meine Entscheidung noch nicht bereut. :-)

 

JUMS: Für diejenigen unter uns, die vor ihrer ersten wissenschaftlichen Arbeit stehen: Was sind Ihre persönlichen Tipps zur Herangehensweise an eine Forschungsfrage?

 

Nina Gusenleitner: Die Formulierung einer Forschungsfrage an sich ist mit das Wichtigste bei der Vorbereitung und dem späteren Schreiben einer Arbeit. In methodischen Kursen ist mir aufgefallen, dass viele Studierende mit dieser Aufgabe Probleme haben. Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, eine Vision zu entwickeln an welcher man die Forschungsfrage orientiert. Idealerweise weiß man auch schon ungefähr, was am Ende der Arbeit herauskommen wird. So kann man zielgerichteter arbeiten, aber auch mit den neuen Erkenntnissen einen Beitrag zur Wissenschaft (und Praxis) leisten.

 

JUMS: Kommen wir nun zu Ihrer eigenen Forschungsfrage: Welchen grundlegenden Problemstellungen haben Sie sich in Ihrer Diplomarbeit gewidmet?

 

Nina Gusenleitner: Ich habe in meiner Diplomarbeit mittels einer Literaturarbeit untersucht, welche praktischen Implikationen die Ambidexterity-Literatur für Manager bietet. Ambidexterity (zu Deutsch: Beidhändigkeit) beschreibt die Fähigkeit einer Organisation, Flexibilität (d.h. Innovation und Exploration von neuen Dingen) und Effizienz (d.h. Optimierung und Verbesserung von bestehenden Dingen) gleichzeitig zu koppeln. Im Hintergrund meiner Arbeit stand die Lücke zwischen wissenschaftlicher Rigorosität und praktischer Relevanz, die ich versucht habe in meiner Diplomarbeit zu überbrücken. Untersucht habe ich relevante Artikel aus akademischer Literatur und Praktikerbeiträgen (d.h. Transferzeitschriften).

 

JUMS: Konnten Sie diese Fragestellungen lösen und inwiefern traten während der Bearbeitungszeit neue, unerwartete Fragen und Probleme auf?

 

Nina Gusenleitner: Meine Fragestellung (Which practical implications for managers can be found in academic and practitioner literature to achieve ambidexterity in practice?) konnte ich mithilfe eines großen, systematischen Literatur Reviews lösen. Was die Gefahr von unerwarteten Problemen angeht, so denke ich, dass diese bei empirischen Arbeiten größer ist (z.B. Verzögerungen bei Interviews) als bei Literaturarbeiten. Bei Literaturarbeiten muss man wahrscheinlich weniger mit unvorhersehbaren Dingen rechnen. Trotzdem bin auch ich oft auf Fragen gestoßen, die ich zu Beginn nicht bedacht habe (z.B. wie kategorisiere ich die Unmengen an Textteilen, die ich aus der Literatur herausgefiltert habe?). Die Gespräche mit meinem Diplomarbeitsbetreuer haben mir aber jedes Mal neuen Mut gemacht, und ich konnte wieder effizient weiterarbeiten.

 

JUMS: Ist es Ihnen mit Ihrer sehr praxisbezogenen Forschungsfrage gelungen, einen Link zwischen Wissenschaft und Wirtschaft herzustellen? Was waren dabei die größten Schwierigkeiten?

 

Nina Gusenleitner: Die größte Einschränkung meiner Arbeit ist, dass sich nicht feststellen lässt, inwiefern die aus der Ambidexterity-Literatur herausgearbeiteten praktischen Implikationen auch wirklich in der Praxis umgesetzt werden. Obwohl Praktiker daraus sicher wertvolle Handlungsanleitungen für die Erreichung von Ambidexterity finden können, bleibt unklar, ob und inwiefern eine wissenschaftliche Arbeit Leute aus der Wirtschaft auch wirklich erreicht. Die Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis stellt also weiterhin eine Hauptproblematik in der Wissenschaft dar.

 

JUMS: Worin lag Ihre persönliche Motivation für eine Einreichung bei JUMS begründet?

 

Nina Gusenleitner: Ich finde die Grundidee des Open Access toll. Ich habe selbst erfahren, wie schwierig es manchmal ist, Zugriff auf gewisse Artikel zu bekommen. Zudem unterstütze ich es gänzlich, dass durch JUMS Studierenden die Möglichkeiten geboten wird, ihre Arbeit einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Ich bin mir sicher, dass in den meisten Abschlussarbeiten viel harte Arbeit steckt und auch andere Studierende über JUMS davon profitieren können.

 

JUMS: Zum Abschluss gibt es bei uns immer einen kleinen Ergänzungssatz, dieser lautet: Eine Abschlussarbeit zu schreiben bedeutet für mich …

 

Nina Gusenleitner: … Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz zu haben, um am Ende ein echter Experte in einem Gebiet zu sein.

 

JUMS: Vielen Dank, Frau Gusenleitner, für Ihre Bereitschaft und Offenheit bei der Beantwortung der Interviewfragen. Wir wünschen Ihnen für Ihren beruflichen Werdegang nur das Beste!