Methodenvielfalt verstehen – Teil 1: Wie wär’s mit einem Experiment?

Sobald es an die Planung der eigenen Abschlussarbeit geht, stellt sich auch die Frage, ob man die Abschlussarbeit literaturbasiert schreiben möchte oder doch datenbasiert arbeiten will. Bei der Erhebung eigener Daten ist das Experiment eine immer beliebter werdende Methode – auch bei Abschlussarbeiten. Doch, worauf muss man eigentlich achten, wenn man sich für das Experiment als Methode für die eigene Abschlussarbeit entscheidet?

Der nachvollgehende wissenschaftliche Gastbeitrag über Experimente in der Abschlussarbeit  ist von Sarah Franziska Kovatsch.  

Sarah Franziska Kovatsch war Autorin in unserer letzten Ausgabe von JUMS und beschäftigte sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Titel „Giving in Unilaterally Risky Dictator Games: A Model of Allocation Decisions Under Exitential Threat“ mit der Fragestellung, ob bei der existentiellen Bedrohung der Egoismus oder die Großzügigkeit überwiegt. Dafür nutzte sie das Standard-Diktatorenspiel, um diese Verhaltensweisen herauszufinden. Sarah Franziska Kovatsch  studierte Internationale BWL an der WHU – Otto Beisheim School of Management. 

Experimentelle Studien kennt man vor allem aus der medizinischen und sozialpsychologischen Forschung. Dort haben sie sich als methodisch überlegene Form der Erkenntnisgewinnung etabliert. In den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften stehen Experimente in Konkurrenz mit anderen Formen der empirischen Wissensproduktion. Forscher in diesen Disziplinen arbeiten häufig mit korrelativen Studien und beziehen ihre Daten beispielsweise über Umfragen oder aus bestehenden Datensätzen. Gerade bei Abschlussarbeiten in der Betriebswirtschaftslehre sind neben empirischen aber auch theoretische Ansätze, darunter Literaturanalysen und analytische Studien, sehr populär.

 

Grundlagen experimenteller Forschungsdesigns

 

Dennoch haben experimentelle Studien auch in der Betriebswirtschaftslehre ihren Reiz. Methodisch sind sie vor allem dann geeignet, wenn es nicht darum geht, deskriptive Modelle aufzustellen, sondern wenn die Forschungsfrage Hypothesen-getrieben ist. Zudem sind Experimente ein anerkanntes Instrument zur Erforschung von Kausalzusammenhängen (Podsakoff & Podsakoff, 2019). Die Grundvoraussetzungen für ein experimentelles Forschungsdesign sind gegeben, wenn

 

1. eine unabhängige und eine abhängige Variable identifiziert werden können,
2. die unabhängige Variable (Ursache) der abhängigen Variablen (Wirkung) zeitlich vorausgeht, und
3. mindestens zwei Probandengruppen verglichen werden.

 

Grundsätzlich unterscheidet man bei experimentellen Designs vier Modelle: In erster Instanz muss der Wissenschaftler zwischen einer Labor- und einer Feldstudie wählen. Feldstudien bieten den Vorteil einer höheren externen Validität (Verallgemeinerungsfähigkeit), schmälern aber auch die Kontrolle über potenzielle Störvariablen. In zweiter Instanz differenziert man zwischen randomisierten und quasi-experimentellen Designs. Bei randomisierten Experimenten werden die Probanden zufällig auf die Experimental- und Kontrollgruppen verteilt. Damit ist die interne Validität, also die Wahrscheinlichkeit, dass es keine alternativen Erklärungen für den beobachteten Effekt gibt, höher als bei Quasi-Experimenten, wo eine bereits bekannte Variable darüber entscheidet, ob die Versuchsteilnehmer zur Experimental- oder zur Kontrollgruppe gezählt werden.

 


Möglichkeiten und Hindernisse

 


Mit experimentellen Studien arbeitet der Wissenschaftler sehr nah am Faktor Mensch, ohne dabei den Anspruch quantitativer Analysen zu enttäuschen. Probandengruppen liefern die Daten, die anschließend nach allen Regeln der Kunst statistisch ausgewertet werden können. Ein weiterer Vorteil von experimentellen Forschungsdesigns ist die hohe Gestaltungsfreiheit: Insbesondere Entscheidungssituation lassen sich sehr gut modellieren. Daraus ergibt sich ein breiter Anwendungsbereich in den Wirtschaftswissenschaften, angefangen von der Verhaltensökonomik über die Organisationstheorie bis hin zur Markt- und Konsumentenforschung.

 


Nachteilig gegenüber anderen Formen der empirischen Forschung können sich
Laborexperimente vor allem in der Vorbereitung gestalten: Probanden müssen gefunden und adäquat entlohnt werden. Neben einer fixen Entlohnung bei Teilnahme benötigen viele Experimente, die wirtschaftswissenschaftliche Hypothesen testen sollen, auch ausgeklügelte Anreizsysteme variabler Entlohnung. Anders ausgedrückt: Wer testen möchte, ob ein finanzieller Anreiz in einer Verhandlungssituation zu weniger Ehrlichkeit führt, kann die monetären Konsequenzen nicht nur simulieren, sondern sollte in seinem Experiment eine Form der variablen Vergütung dafür nutzen.

 

 

Tipps für Deine eigene Abschlussarbeit

Wenn ein Experiment für Deine Abschlussarbeit infrage kommt, solltest du zunächst darauf achten, auch bei Deiner Literaturrecherche Deinen Schwerpunkt auf experimentelle Arbeiten zu legen. Im Rahmen einer Abschlussarbeit eignet es sich, ein etabliertes Forschungsdesign als Vorlage zu nutzen und ein bis zwei Parameter zu verändern. Du kannst auch überlegen, eine Replikationsstudie zu einem noch ungesättigten, also noch nicht hinreichend validierten, Modell durchzuführen. Sobald Du ein Design gefunden hast, das sich als Modell für Deine Hypothese eignet, solltest Du entscheiden, ob Du Dein Experiment online durchführen kannst oder die Probanden unter Beobachtung in einem Labor agieren müssen. Die Entscheidung sollte in Absprache mit Deinem Betreuer getroffen werden. Manche Lehrstühle können Studierenden ein Experimentallabor oder entsprechende finanzielle Mittel zur Vergütung der Probanden zur Verfügung stellen.

 

Sind die Rahmenbedingungen für die Durchführung Deines Experimentes erklärt, gilt es, wie bei jeder Abschlussarbeit, möglichst viel Vorarbeit zu leisten. Damit Du nicht von unbrauchbaren Daten überrascht wirst, solltest Du Dir frühzeitig überlegen, wie Du die Daten auswerten möchtest. Eine detaillierte Aufstellung der statistischen Datenanalyse ist auch eine gute Plausibilitätsprüfung für Dein Forschungsdesign: fehlende Informationen, mangelnde Vergleichbarkeit, lückenhafte Annahmen oder andere Denkfehler fallen hier besonders leicht auf und können noch rechtzeitig korrigiert werden. Auch ein reibungsloser Ablauf bei der Testung ist wichtig, um eine hohe Datenqualität zu gewährleisten.

 

Die Wahl einer experimentellen Studie als Abschlussarbeit kann sehr lohnenswert sein: Der Anteil der Eigenleistung ist häufig höher als bei anderen Methoden. Hilfreich ist es, ohne Ergebnisdruck an die Arbeit heranzugehen. Der Ausgang von Experimenten ist nicht kalkulierbar und es kann durchaus passieren, dass sich Deine Erwartungen nicht bestätigen oder die Ergebnisse nicht signifikant sind. Sprich mit Deinem Lehrstuhl vorher ab, was in diesem Fall zu tun ist. Im Sinne des wissenschaftlichen Standards sollte es keinen Einfluss auf Deine Abschlussarbeit haben, wenn du keine aussagekräftigen Ergebnisse berichtest. Auch Sackgassen und sind ein wertvoller Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt.

 

In diesem Sinne wünschen wir Dir viel Erfolg bei deiner Abschlussarbeit – und freuen uns auf die Ergebnisse Deiner Abschlussarbeit. Vielleicht werden diese sogar in Junior Management Science publiziert!

 

Literatur

Podsakoff, P.M., Podsakoff, N.P. (2019). Experimental designs in management and leadership research: Strengths, limitations, and recommendations for improving publishability. The Leadership Quarterly, 30(1), pp. 11-33.