Befristet, unterbezahlt und überarbeitet – wieso eine wissenschaftliche Karriere immer unattraktiver wird?

Spätestens seit Aufkommen der #IchBinHanna-Debatte in den gängigen sozialen Netzwerken stehen die Rahmenbedingungen für eine betriebswissenschaftliche Karriere in Deutschland wieder in der Diskussion.

 

75%-Stellen bei 100%-Auslastung, befristete Arbeitsverträge, Sorgen um Verlängerungen und Beschaffung von Drittmitteln – die Liste an Herausforderungen für Doktorand:innen und wissenschaftliche Beschäftige an den Universitäten ist lang. Bei aller Liebe für Fachbereich und Dissertationsthema, kommen so häufig Zweifel auf, ob die Entscheidung für eine Promotion und eine wissenschaftliche Karriere eigentlich richtig war.
Dabei schwebt über allem die Frage: Scheitert Deutschland als Wissenschaftsstandort für die Betriebswirtschaftslehre? Wieso entscheiden sich viele herausragende Studierende der BWL nach dem Masterabschluss beziehungsweise nach der Promotion für einen Wechsel in die freie Wirtschaft und gegen das weitere Verfolgen der wissenschaftlichen Laufbahn?

 


Karriere in der Wissenschaft oder in der freien Wirtschaft?

Viele Student:innen stehe gegen Ende des Masterstudiums vor der  Qual der Wahl: Karriere in der Wissenschaft oder in der freien Wirtschaft? Reicht die intrinsische Motivation, einen wertvollen Beitrag für die Wissenschaft zu leisten, aus, um die Unsicherheit von befristeten Verträgen und eine potentiell schlechte Work-Life-Balance in Kauf zu nehmen? Insbesondere für junge Erwachsene sind berufliche, finanzielle und auch familiäre Planbarkeit entscheidende Faktoren für die Berufswahl. So klingt eine auf drei Jahre befristete 75%-Stelle mit E13-Gehalt bei weitem nicht so verlockend wie die unbefristete Anstellung in der freien Wirtschaft. Darüber hinaus möchten viele nicht weiterhin in der eigenen universitären Blase verharren und streben nach mehr als fünf Jahren im Studium danach, Erfahrungen in der Praxis und abseits der Wissenschaft zu sammeln.

 

Während der 4. Konferenz von Junior Management Science haben wir uns mit eben diesen Problemen auseinandergesetzt. In zwei Gruppen – Nachwuchswissenschaftler:innen und Professor:innen – wurden Probleme und Chancen einer universitären Karriere analysiert und diskutiert.

 

Dabei nannten die Nachwuchswissenschaftler:innen als Hauptkritikpunkte vor allem die fehlende Planbarkeit, den oftmals fehlenden Praxisbezug sowie Stress und  Druck bei der Publikation der eigenen wissenschaftlichen Arbeit. Neben diesen generischen Nachteilen der Promotion wird diese darüber hinaus durch die strukturellen Rahmenbedingungen erschwert.

Innerhalb der Workshopgruppen wurden daher Ideen zur Verbesserung der Bedingungen für eine Promotion erarbeitet, darunter beispielsweise längere Vertragslaufzeiten und eindeutige Regeln zur Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge sowie eine klare Trennung zwischen Lehrstuhlarbeit und Promotion.

 

Die zweite Workshopgruppe, die Professor:innen, berieten währenddessen, wie es gelingen kann, den wissenschaftlichen Nachwuchs für eine Karriere an der Universität zu begeistern und zu halten. So wurden hier Ideen wie finanzielle Überbrückungshilfen zur besseren Planbarkeit sowie Writing Seminare als Hilfestellungen für die akademische Laufbahn zusammengetragen.


 

Müssen Strukturen für die wissenschaftliche Karriere moderner werden?

Finden Nachwuchswissenschaftler:innen und Professor:innen in ihren Ideen und Forderungen zusammen? In Zeiten von New Work, Vertrauensarbeitszeiten und „Flexible Fridays“ erscheint das deutsche Hochschulsystem starr. Die universitäre Betriebswirtschaftslehre steht in den nächsten Dekaden vor großen Herausforderungen, da die wissenschaftliche Laufbahn derzeit für viele Masterabsolvent:innen und Promovierte unattraktiv erscheint.

 

Damit sich dies ändert, bedarf es zum einen der Unterstützung im Arbeitsalltag und bei der Publikation Unterstützung durch die Professor:innen. Zum anderen müssen strukturelle Rahmenbedingungen für die Karriere in betriebswirtschaftlicher Forschung und Lehre so angepasst werden, dass sie genauso attraktiv ist wie die Möglichkeiten einer Karriere in der freien Wirtschaft.

 

Wir von Junior Management Science sind gespannt auf die Weiterentwicklungen in der universitären Betriebswirtschaftslehre und freuen uns, auf unserer Konferenz in Hamburg Plattform für Austausch und Ideensammlung zu diesem Thema gewesen zu sein.