JUMS trifft … Kimberly Klebolte

JUMS veröffentlicht nicht nur – wir recherchieren auch.

Regelmäßig treffen wir unsere JUMS-Autor:innen, aber auch Professor:innen und Wissenschaftler:innen, unterhalten uns über deren Abschlussarbeiten und bitten diese um wichtige Tipps zum Schreiben von Abschlussarbeiten.

Heute haben wir uns mit Kimberly Klebolte von der University of Oxford getroffen, deren Masterarbeit „Employment Protection Legislation, Youth Unemployment and the Role of the Educational System“ in der 18. Ausgabe von JUMS veröffentlicht wurde.

Steckbrief: Kimberly Klebolte

Titel der Arbeit:

Employment Protection Legislation, Youth Unemployment and the Role of the Educational System

Art der Arbeit, Hochschule:

Masterarbeit, University of Oxford

Aktuelle Tätigkeiten:

Head of Corporate Affairs, Bitkom e.V. Berlin

JUMS Ausgabe:

Junior Management Science 6(1), 2021, S. 60-80

Artikel-Seite:

www.jums.academy/k-klebolte2

Interview

JUMS: Liebe Kimberly, Du hast Deine Masterarbeit an der University of Oxford geschrieben. Was macht es aus, an einer solch renommierten Universität einen international hoch angesehenen Abschluss zu machen?

Kim Klebolte: Es gibt viele Dinge, die man mit einer Eliteuni wie Oxford in Verbindung bringt: Weltklasse Forschung, inspirierende Professor:innen, eine enge Betreuung, großartige Ausstattung, das Collegeleben oder die internationale Zusammenarbeit. Das alles stimmt und macht das Studium dort wirklich besonders. Was mich allerdings immer am meisten begeistert hat, war der vielfältige Austausch mit Kommiliton:innen. Hier brennt jeder für sein Fach, hat die unterschiedlichsten Erfahrungen aus den Ländern, in denen man großgeworden ist und gelebt hat und ist immer in der Regel immer interessiert mit Anderen darüber zu diskutieren. Die Anforderungen in Oxford sind sehr hoch und es wird viel erwartet, aber der Enthusiasmus und die Begeisterung für das eigene Fach – bei Studierenden und unter den Lehrenden – entschädigt in jedem Fall für die Tage und Nächte in den vielen (wunderschönen!) Bibliotheken der Stadt. Es ist ein besonderes Privileg mit den besten Forscher:innen seines Fachs mehrere Stunden pro Woche diskutieren zu können. Einmalig ist hier sicher auch die intensive Begleitung im Prozess der Abschlussarbeit. Hier arbeiten Studierende auf Augenhöhe mit ihren Betreuer:innen, man tüftelt gemeinsam an Forschungslücken und wird immer wieder herausgefordert noch besser zu sein. Alle Abschlussarbeiten in Oxford (wie auch bei JUMS) laufen durch einen double-blind peer-review Prozess, sodass man hier ideal auf eine mögliche weitere Karriere in der Wissenschaft vorbereitet wird.

 

JUMS: In Deiner Arbeit beschäftigst Du Dich mit den Wechselwirkungen zwischen den gesetzlichen Arbeitnehmerschutzregelungen und der Jugendarbeitslosigkeit. Warum ist dieser Zusammenhang in der aktuellen Zeit besonders relevant?

Kim Klebolte: Ich wollte mich in meiner Abschlussarbeit nicht (nur) mit abstrakten Dingen beschäftigen, sondern mich wirklich mit Themen auseinandersetzen, die praktische Relevanz haben und in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft diskutiert werden. Jugendarbeitslosigkeit ist ein Thema, das in vielen OECD-Staaten auf der langen Liste der zu lösenden Herausforderungen weit oben steht. Statistiken zeigen, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den meisten Ländern in den letzten Jahren zugenommen hat und dass die Jugendarbeitslosigkeit im Allgemeinen viel höher ist als die Arbeitslosigkeit bei Erwachsenen. Diese aktuelle Relevanz war für mich ausschlaggeben, das Thema genauer unter die Lupe zu nehmen – gerade, weil sich hier der Vergleich über verschiedene Länder und einen längeren Zeithorizont angeboten hat. Arbeitnehmerschutzregelungen fand ich bei meinen ersten Recherchen besonders spannend, da es sehr viel Forschung in diesem Bereich gibt, die Ergebnisse aber mehrdeutig sind. Hier habe ich eine gute Chance gesehen mit meinen eigenen Analysen einen echten Mehrwert im bisherigen Forschungsfeld zu leisten.

Der Zusammenhang zwischen der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen und Arbeitnehmerschutzregelungen ist besonders spannend, weil immer wieder diskutiert wird, welche konkreten wirtschaftspolitischen Maßnahmen helfen können, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken. Insbesondere der Kündigungsschutz wird häufig mit Arbeitslosigkeit und unsicheren Arbeitsplätzen- insbesondere bei jungen Berufsanfängern – in Verbindung gebracht. Die Coronakrise stellt besonders Jugendliche vor Herausforderungen am Arbeitsmarkt: Unternehmen entlassen Arbeiter, Kurzarbeit wird angeordnet, Jobangebote zurückgenommen, neue Stellen werden nicht ausgeschrieben. Das trifft besonders diejenigen, die gerade erst ins Berufsleben starten wollen. Millionen junge Menschen – in Europa und der Welt – suchen Zugang zu einem überfüllten Arbeitsmarkt und müssen sich ohne Erfahrungen, Netzwerke und Rücklagen in ihm behaupten. Laut Eurostat liegt die Jugendarbeitslosigkeit in der EU derzeit bei 17% – und ist damit mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote. Zu wissen, welche regulatorischen Maßnahmen wie auf Jugend-, aber auch Erwachsenenarbeitslosigkeit wirken, kann helfen, konkrete Programme aufzusetzen und Gesetze zu verabschieden.

JUMS: Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland lag im Dezember 2020 bei 6,1% und damit weit niedriger als im europaweiten Durchschnitt (18,5%). Welche Erklärungen könnte es für diesen großen Unterschied geben?

Kim Klebolte: Wie immer gibt es hier verschiedene Erklärungsansätze. Deutschland ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern deutlich besser durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen und meistert auch jetzt – konjunkturell betrachtet – die Coronakrise besser als andere Staaten. Das ist entscheidend, denn einen Einbruch der Konjunktur spüren Jugendliche häufig als erstes – sie sind auf Einstiegschancen angewiesen, weisen die geringste Erfahrung auf und sind am häufigsten in befristeten Verträgen eingestellt, die nicht verlängert werden.

Aber auch abseits der Konjunktur gibt es einige Gründe: Der demografische Wandel läuft bei uns wesentlich schneller ab als in anderen Ländern, sodass heute schon viele Nachwuchskräfte fehlen. Darüber hinaus haben wir mit der dualen Ausbildung ein fast einmaliges System aus theoretischer und praktischer Verzahnung, was es Unternehmen ermöglicht junge Menschen direkt im Betrieb zu schulen und im Anschluss zu übernehmen. Am Ende der Ausbildung haben die jungen Menschen betriebsspezifische Kenntnisse und der Ausbildungsbetrieb weiß, wie die Zusammenarbeit in der Praxis aussieht. Mehr als zwei Drittel aller Auszubildenden werden nach ihrer Ausbildung vom Betrieb übernommen.

JUMS: In Deiner Arbeit thematisierst Du die Bedeutung der beruflichen Spezialisierung. Könntest Du kurz und knapp zusammenfassen, welche Rolle die berufliche Spezialisierung im Kontext der Jugendarbeitslosigkeit spielt?

Kim Klebolte: Wie oben bereits erwähnt ist eine Vermutung für die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland der Erfolg der dualen Berufsausbildung. Eine Vielzahl von Studien hat die positiven Effekte einer engeren Verknüpfung von Theorie und Praxis für junge Menschen empirisch belegt. Länder, die über etablierte und breit angelegte Berufsbildungssysteme und eine starke Verbindung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verfügen, hatten bisher eine bessere „school-to-work transition“ für Berufsanfänger und haben während der Rezession mit Blick auf Jugendarbeitslosigkeit am besten abgeschnitten. Das gilt insbesondere für duale Ausbildungssysteme wie in Deutschland oder Österreich. Gerade in Zeiten von Finanzkrisen und Sparmaßnahmen wird die berufliche Bildung daher oft als Königsweg zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gesehen.

Während der Literaturrecherche zu diesem Thema zeigte sich jedoch schon, dass berufliche Spezialisierungen allein sehr wahrscheinlich keinen signifikanten Effekt auf die Jugendarbeitslosigkeit haben, da es hier immer um das komplexe Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen, Institutionen und Regularien geht. Das hat sich bewahrheitet.

 

JUMS: Die Methodik Deiner Masterarbeit umfasste die Untersuchung von Daten aus 28 Ländern über fast 30 Jahre. Was war bei der Analyse die größte Herausforderung?

Kim Klebolte: Mein eigener Anspruch war es, ein möglichst breites und umfangreiches Datenset zu erstellen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei gab es zwei zentrale Herausforderungen: Zum einen musste ich all diese Daten erst einmal finden und zusammentragen, zum anderen musste ich dann für die statistischen Analysen sicherstellen, dass ich hier immer noch vergleichbare und sinnvolle Dinge miteinander verrechne. Bei riesigen Excel-Tabellen verliert man doch manchmal den Überblick. Auch wenn das bei OECD-Ländern eine geringere Herausforderung ist: Bei allen Statistiken muss geprüft werden, wie die Daten erhoben wurden und ob sie aus vertrauenswürdigen Quellen kommen. Gerade wenn es sich um sensible Arbeitsmarktdaten handelt, ist diese Sorgfalt wichtig, um später auch aussagekräftige Ergebnisse zu haben.

JUMS: Die Ergebnisse Deiner Arbeit deuten darauf hin, dass die Jugendarbeitslosigkeit steigt, je mehr Regularien mit der kurzfristigen Einstellung von Arbeitnehmer*innen einhergehen. Welche praktischen Implikationen ergeben sich daraus?

Kim Klebolte: Ganz pragmatisch könnte man schlussfolgern, dass man in Ländern mit einer hohen Regulierung und einer hohen Jugendarbeitslosigkeit auf Deregulierung setzen sollte. So einfach ist es aber – leider – in Wirtschaft und Wissenschaft nicht. Wichtig ist hier zu betonen, dass sich dieser Zusammenhang ausschließlich bei „temporary contracts“, also befristeten Arbeitsverträgen zeigt.  Da Jugendliche besonders häufig befristet eingestellt werden und die Screening-Funktion dieser Anstellung ein wichtiger Indikator für die Produktivität und Passung zukünftiger Mitarbeiter ist, wirken sich stärkere Regulierungen dieser Verträge vor allem für Jugendliche negativ aus (nicht aber so sehr für Erwachsene). Der Wirkmechanismus bei einer Deregulierung wäre der folgende: Arbeitnehmer sind häufiger gewillt auch unerfahrene Jugendliche direkt nach Ausbildung und/oder Studium einzustellen, da sie wissen, dass sie diese, wenn es doch nicht passt, schneller wieder kündigen können.

JUMS: Nachdem Deine Bachelorarbeit bereits 2019 in der 13. Ausgabe von Junior Management Science publiziert wurde, ist Deine Masterarbeit nun Teil der 18. Ausgabe. Aus welchen Gründen kannst Du jedem empfehlen bei Junior Management Science einzureichen?

Kim Klebolte: In meinen Augen ist eine Veröffentlichung bei JUMS eine großartige Möglichkeit nochmal externes Feedback zur eigenen Forschung zu bekommen und damit auch eine tolle Wertschätzung der eigenen Arbeit zum Studienabschluss. Nichts ist trauriger, als wenn die eigene Abschlussarbeit richtig gut und spannend ist, man viele Monate intensiv an den Recherchen und Berechnungen saß, stolz auf die Abgabe ist und sie dann aber in der eigenen Cloud oder in der Unibib versinkt. Ich kann jedem empfehlen sich dem Peer-Review-Verfahren bei JUMS zu stellen, der nicht nur Lust auf wertvolles Feedback hat, sondern sein Wissen, die eigene Herangehensweise und die neuen Erkenntnisse auch mit anderen Studierenden teilen möchte.

JUMS: Im Januar ist dein Buch „Die erfolgreiche Bachelor- und Masterarbeit“ – ein Praxisratgeber für Bestnoten erschienen. Welche zentrale Message willst Du Studierenden, die ihre Abschlussarbeiten noch vor sich haben, aus Deiner Erfahrung heraus mit auf den Weg geben?

Kim Klebolte: „Abschlussarbeiten können unglaublich viel Spaß machen, aber auch wirklich frustrieren. Eine gute Vorbereitung und Strukturierung helfen Dir möglichst viel vom Ersten und möglichst wenig vom Zweiten zu erleben.“ – So oder so ähnlich klänge wohl eine sehr kurze Zusammenfassung. Mit dem Praxisratgeber möchten wir umsetzbare und erprobte Tipps und Tricks mit an die Hand geben, damit man mehr Spaß und weniger Frustration im Prozess der Abschlussarbeit hat. Jeder kennt die Phasen, in denen man über Journals, Analysen oder Kapitelentwürfen hängt und sich fragt, was das alles eigentlich soll. Das wissen wir aus eigener Erfahrung nur zu gut. Wir wissen aber auch, dass eine gute Vorbereitung, klare Ziele, klare Absprachen mit den Betreuenden und ein strukturiertes Vorgehen beim Schreiben der einzelnen Kapitel enorm helfen können, um nicht nur erfolgreich, sondern auch motiviert durch den Prozess zu gehen. Wie das geht zeigen wir im Buch anhand des klassischen Arbeitsprozesses einer Abschlussarbeit. So schreibt man sich Kapitel für Kapitel zur Bestnote.

JUMS: Zum Abschluss des Gesprächs gibt es bei uns immer einen kleinen Ergänzungssatz, den wir Dich bitten würden, zu vervollständigen: “Eine Masterarbeit an der University of Oxford zu schreiben, bedeutete für mich…”

Kim Klebolte: „.. als Erstakademikerin die kühnsten Träume meiner Familie zu übertreffen, eine große akademische Herausforderung zu meistern und unheimlich viel über mich selbst und die wissenschaftliche Welt zu lernen.“

JUMS: Vielen Dank, liebe Kim, für die interessanten Einblicke in Deine Arbeit und welche Tipps Du unseren Leserinnen und Lesern geben kannst. Wir wünschen dir für Deine weitere Zukunft viel Erfolg!