JUMS trifft … Tom Zeissler
JUMS veröffentlicht nicht nur – wir recherchieren auch.
Regelmäßig treffen wir unsere JUMS-Autoren, aber auch Professoren und Wissenschaftler, unterhalten uns über deren Abschlussarbeiten und bitten diese um wichtige Tipps zum Schreiben von Abschlussarbeiten.
Heute haben wir uns dazu mit Tom Zeissler von der Wirtschaftsuniversität Wien, getroffen, dessen Masterarbeit „Charakteristika vs. Carry – Outperformance in Devisenmärkten“ in der 11. Ausgabe von JUMS veröffentlicht wurde.
Steckbrief: Tom Zeissler
Titel der Arbeit:
Charakteristika vs. Carry – Outperformance in Devisenmärkten
Art der Arbeit, Hochschule:
Masterarbeit, Wirtschaftsuniversität Wien
Aktuelle Tätigkeiten:
Research Associate am Institut für strategische Kapitalmarktforschung Wien
JUMS-Ausgabe:
Junior Management Science 4 (2), 2019, 265-304
Artikel-Seite:
https://jums.academy/t-zeissler
Interview
JUMS: Lieber Tom, was versteht man als Laie unter einem Portfoliooptimierungsverfahren?
Tom Zeissler: Für die Erklärung mache ich es mir erstmal etwas einfacher und spalte das sperrige Wort in seine zwei Bestandteile auf. Demnach bezeichnet ein Portfolio in diesem Kontext den im Besitz eines Investors befindlichen Bestand an verschiedenen Vermögenswerten. Das können etwa klassisch Aktien, Anleihen oder Immobilien, aber auch Währungen, Rohstoffe, ein wertvolles Gemälde oder eine Luxusuhr sein. Im Falle meiner Arbeit sind es – wie der Titel verrät – verschiedene Währungen, welche mit unterschiedlichem Gewicht in das Portfolio einfließen. Der zweite Teil des Wortes, das Optimierungsverfahren, hat die Aufgabe, die einstellbaren Parameter eines bestimmten Systems mit Hinblick auf eine Zielfunktion bestmöglich zu adjustieren (was natürlich voraussetzt, dass diese Zielfunktion definiert ist, d.h. dass klar entschieden wurde, was „gut“ und was „schlecht“ ist). Unter dem von mir beschriebenen Portfoliooptimierungsverfahren versteht man also ein Verfahren, das die Währungen eines Portfolios optimal im Sinne der Zielfunktion des Investors gewichtet. In der Arbeit beschreibe ich ein solches Verfahren und „füttere“ es anschließend mit empirischen Daten, um dessen Performance zu testen.
JUMS: Du hast in deiner Masterarbeit untersucht, welchen Mehrwert das Portfoliooptimierungsverfahren im Devisenkontext hat, wie bist Du auf die Idee gekommen, dich damit zu beschäftigen?
Tom Zeissler: Während meines Masterstudiums hatte ich die Möglichkeit, am zweijährigen ‚Portfolio Management Program‘ der Wirtschaftsuniversität Wien in Partnerschaft mit der ZZ Vermögensverwaltung GmbH teilzunehmen. Bei diesem obliegen drei konkurrierenden Studententeams die Verwaltung eines realen Portfolios mit jeweils über 1 Mio. Euro Anlagevermögen. Dadurch habe ich unglaublich viel (theoretisches und praktisches) Wissen sammeln können und weil sich mein Team durchaus auch in Währungsstrategien engagierte, war das natürliche Interesse vorhanden, sich in dieser Asset-Klasse besser auszukennen. Als ein Tutor des Programms, welcher auch als Dozent in meinem Masterstudiengang tätig war, schließlich die Möglichkeit signalisierte, eine Masterarbeit mit diesem thematischen Schwerpunkt zu betreuen, da war es sprichwörtlich um mich geschehen…
JUMS: Du sprichst davon, dass Devisenmärkte für eine Vielzahl von Personen relevant sind, wieso ist das so?
Tom Zeissler: Würde man wahllos eine Person auf der Straße fragen, wie wichtig dieser Devisenmärkte sind, würde man höchstwahrscheinlich nur verwirrte Blicke als Antwort bekommen. Das liegt primär nicht daran, dass sie tatsächlich nicht wichtig für die betreffende Person sind, sondern eher damit, dass Devisenmärkte im Alltag eines Durchschnittsbürgers eher selten auftauchen, etwa nur vor dem Beginn der Urlaubszeit. In Anbetracht der komplexen Realität, durch die wir Menschen tagtäglich navigieren, ist es immer verführerisch, Dinge auszublenden, die uns keine direkte Aufmerksamkeit abverlangen (um somit unsere Ressource ‚Aufmerksamkeit‘ nicht überzustrapazieren). In diesem Sinne wird leicht vergessen, dass bspw. viele der Produkte, die wir ohne darauf zu achten im Supermarkt einkaufen, aus fernen Ländern mit exotisch anmutenden Währungen stammen. Verallgemeinert man diesen Gedanken, beruht die gesamte globale wirtschaftliche Interaktion zu einem wesentlichen Teil auf Devisenmärkten. Das Funktionieren dieser Märkte ist also (mehr oder weniger) für jeden Einzelnen von uns wichtig.
JUMS: Du untersuchst in deiner Arbeit Portfolios über den Zeitraum von Anfang 1990 bis Ende 2017. Wie bist Du zu dieser Auswahl gekommen? Und wie hast Du dich diesen Daten methodisch angenähert?
Tom Zeissler: Eine empirische Arbeit lebt maßgeblich von den Daten, auf welche sie sich stützt. Das macht die Sichtung der möglichen Datenquellen und den Bezug der Daten zu einem integralen Prozess, zeitweise aber auch – etwa platter ausgedrückt – zu einer Qual, da hier höchste Genauigkeit und ein konsistentes Vorgehen in Verbindungen mit viel Geduld gefragt sind. Letztlich sieht man sich vielen Fragen gegenüber, die sich im Laufe des Prozesses zunächst erst einmal vermehren statt vermindern: Welche Datentypen benötigt das gewählte Modell? Welche Länder bzw. Währungen soll der Datensatz umfassen? Welche Datenanbieter kommen als Quellen in Frage? Ab wann sind für die selektierten Datentypen und Währungen/Länder bei den verschiedenen Anbietern Zeitreihen vorhanden? Wie unterschiedlich sind die Daten eines Datentyps, wenn sie von verschiedenen Anbietern bezogen wurden?
Die Liste an Fragen könnte man wohl endlos weiterführen. Der interessierte Leser findet meine Abhandlung dieser Fragen im Detail in der Arbeit. Zusammenfassend will aber gesagt sein, dass man sich von einem solch breiten Fragenkatalog nicht einschüchtern lassen, sondern ihm mit einer zielorientierten und systematischen Herangehensweise begegnen sollte.
JUMS: Zu welchen Ergebnissen bist Du in deiner Arbeit gekommen? Haben dich diese überrascht?
Tom Zeissler:Es gab von allem etwas, also sowohl unerwartete, als auch weniger überraschendere Ergebnisse. Da die Erwartungshaltung dabei natürlich maßgeblich durch die Literatur geprägt ist, muss man aber bemerken, dass weniger überraschend zwar erstmal nach „weniger spannend“ klingt, letztlich aber ein beruhigendes Zeichen ist, dass man mit seinen Ergebnissen nicht gegen die Resultate der halben wissenschaftlichen Literatur ankommen muss. Zum Beispiel haben typischerweise jene als Signale im Optimierungsverfahren verwendeten Charakteristika besser bzw. stabiler performt, deren Fundierung in der wissenschaftlichen Literatur ausgeprägter ist, allen voran dabei Carry. Überraschend war dann aber etwa für mich, dass ich für die (am breitesten gestreute) Carry-Strategie eine positive Schiefe verzeichnen konnte, was gegen die Argumentation mancher Papers wie Brunnermeier et al. (2008) spricht, welche die Carry-Überrenditen zum Teil als Kompensation für Crash-Risiko interpretieren. Auf einer Konferenz letztes Jahr erfuhr ich dann wiederum, dass sich bspw. auch Bekaert und Panayotov (2018) gegen die Crash-Risiko-Hypothese aussprechen und ich somit nicht alleine mit meinen Ergebnissen dastehe.
JUMS: Was würdest Du anderen Studenten im Vorfeld ihrer Bachelor- bzw. Masterarbeit empfehlen? Worauf müssen sie achten und was waren für dich Herausforderungen?
Tom Zeissler: Zuerst einmal und am wichtigsten: Immer locker bleiben und nicht den Spaß an der Sache verlieren! Das ist leicht gesagt, setzt aber zunächst schon mal voraus, dass überhaupt Spaß an der Sache gegeben ist, den man verlieren könnte. Darauf hat man durchaus Einfluss durch die Wahl des Schwerpunkts und Themas, weswegen diese Wahl mit Bedacht und in Einklang mit den eigenen Interessen erfolgen sollte (wer will schon ein Thema bearbeiten müssen, wenn man ein Thema bearbeiten kann?). Ist dies nun geglückt und ein spannendes (bestenfalls intrinsisch motiviertes) Thema gefunden, wie stellt man dann sicher, dass die weitere Bearbeitung locker-enthusiastisch statt stressig-deprimierend vorangeht? Naja, Wissen um ein Patentrezept hierzu möchte ich nun nicht suggerieren und letztlich muss jeder für sich selbst lernen (notfalls eben auf die harte Tour), wie man am besten mit einem solchen Großprojekt umgeht. Allerdings kann ich eines sicher sagen: Planung und Zeitmanagement helfen. Wenn man sich früh genug Gedanken macht und das Projekt langsam, aber stetig vorantreibt, besteht einfach eine geringere Chance, dass man in Zeitdruck gerät und dann unter allen Umständen viel in kurzer Zeit erledigen muss (was hochverlässlich jeden Spaß an der Sache raubt!). Außerdem kann man sich somit auch immer mal eine Pause gönnen, ohne direkt in Zeitverzug zu geraten… und was gibt es schon schöneres, als ohne schlechtes Gewissen Pause machen zu können?
JUMS: Wie bist Du auf JUMS aufmerksam geworden und was hat dich bewegt, deine Arbeit bei uns einzureichen?
Tom Zeissler: Bei all meinem bereits angedeuteten Enthusiasmus für das Thema und der eingeflossenen Arbeit erschien mir das Wissen irgendwie traurig, dass sich nur mein Betreuer durch meine Arbeit „quälen“ musste. Als ich dann durch Zufall über JUMS im Internet stolperte, ahnte ich, dass ich durch das Einreichen meiner Arbeit vielleicht etwas zur Bekämpfung dieser Trauer tun könnte. Und siehe da, meine Traurigkeit ist nun verflogen… ;-)
JUMS: Du hast jetzt deinen Master in der Tasche. Wie geht es weiter? Ist die Wissenschaft eine Option für dich?
Tom Zeissler: Nachdem im direkten Anschluss an den Bachelor die Zukunft und die Frage nach dem weiteren beruflichen bzw. akademischen Werdegang noch um einiges diffuser auf mich wirkte, war mir im Zuge des Verfassens der Masterarbeit sowie meiner parallellaufenden Tätigkeit als studentischer Assistent an der Universität schon klar, dass das wissenschaftliche Arbeiten (sollte es nicht unter meist selbstverschuldetem Stress leiden) mir durchaus zusagt. Deswegen habe ich auch im Anschluss an den Master nun begonnen zu promovieren und halte der Wissenschaft somit bis auf Weiteres die Treue.
JUMS: Zum Abschluss des Gesprächs gibt es bei uns immer einen kleinen Ergänzungssatz, den wir dich bitten würden, zu vervollständigen: “Eine Abschlussarbeit zu schreiben, bedeutete für mich…”
Tom Zeissler: „… nicht, keinen Spaß dabei haben zu können (was mir leider zu Zeiten der Bachelorarbeit noch nicht so kristallklar erschien, aber man lernt ja nie aus).“
JUMS: Vielen Dank, lieber Tom, für die interessanten Einblicke in deine Arbeit und welche Tipps du unseren Leserinnen und Lesern geben kannst. Wir wünschen dir für deine weitere Zukunft viel Erfolg!