JUMS trifft … Fabien Rozzi

JUMS veröffentlicht nicht nur – wir recherchieren auch.

Regelmäßig treffen wir unsere JUMS-Autoren, aber auch Professoren und Wissenschaftler, und unterhalten uns über deren Abschlussarbeiten und bitten diese um wichtige Tipps zum Schreiben von Abschlussarbeiten.

Heute haben wir uns dazu mit Fabien Rozzi, Absolvent der Technischen Universität München, getroffen, dessen Masterarbeit „The Impact of the Gig-Economy on U.S. Labor Markets: Understanding the Role of Non-Employer Firms using Econometric Models and the Example of Uber.” in der 7. Ausgabe von JUMS veröffentlicht wurde.

Steckbrief: Fabien Rozzi

Titel der Arbeit:

The Impact of the Gig-Economy on U.S. Labor Markets: Understanding the Role of Non-Employer Firms using Econometric Models and the Example of Uber.

Art der Arbeit, Hochschule:

Masterarbeit, Technische Universität München / Massachusetts Institute of Technology

Aktuelle Tätigkeiten:

Business Development Manager EMEA bei Celonis SE

JUMS-Ausgabe:

Junior Management Science 3(2) 2018, 33-56

Artikel-Seite:

https://jums.academy/f-rozzi/

Interview

JUMS: Lieber Fabien, die Gig-Economy und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt ist Gegenstand vieler Diskussionen. Wie bist du zum Thema deiner Abschlussarbeit gekommen?

Fabien Rozzi: Ja, das ist richtig! Zu dem Thema bin ich als Ergebnis zwei unterschiedlicher Motivationsquellen gekommen; zum einen durch meinen Herzenswunsch einen Studienaufenthalt an einer US-amerikanischen Universität zu absolvieren und zum zweiten durch meinen Willen über ein aktuelles Thema an der Schnittstelle zwischen Technologieentwicklung und Wirtschaft zu forschen. Also habe ich nach Professoren an US-amerikanischen Universitäten recherchiert, die einen Forschungsschwerpunkt mit entsprechenden Themenbezüge haben und sie direkt mit Forschungsvorhaben und Bewerbungsunterlagen kontaktiert. Das ein Professor vom MIT mit einem Forschungsauftrag im Bereich der Gig-Economy mich betreuen wollte, kam mir sehr gelegen, denn ich hatte zuvor ein Start-up gegründet, das im Kern der Plattform Economy stand. Diese Opportunität wollte ich mir nicht entgehen lassen und habe mich für die nötigen Förderungsmittel beworben und möchte mich an dieser Stelle bei der DAAD für die finanzielle Unterstützung bedanken.

 

JUMS: In deiner Arbeit zeigst du, dass das Wachstum von Non-Employer Firms, wie Uber-Fahrer es sind, auch positiv auf die Arbeitslosigkeit wirken kann, insbesondere in Bezirken mit hohen Arbeitslosenquoten. Können solche Unternehmen einen Beitrag zu höheren Beschäftigungsraten leisten oder verschieben sich hierdurch lediglich Beschäftigungsverhältnisse von wenigen höherwertigen zu mehr prekären Verhältnissen?

Fabien Rozzi: Das Wachstum von Non-Employer Firms in den USA – also Einzelunternehmer die keine Beschäftigten haben und Einnahmen von jährlich über $1000 an die US Finanzbehörde melden müssen – hat vielfältige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Zwar wächst die Anzahl an Non-Employer Firms in Bezirken mit hoher Arbeitslosigkeit am stärksten doch die Korrelation mit der Arbeitslosigkeitsentwicklung ist nur leicht positiv. Das bedeutet, dass Non-Employer Firms, wie beispielsweise Uber-Fahrer, nicht mehrheitlich aus der Arbeitslosigkeit kommen, sondern vielmehr ist es ein Hinweis darauf, dass Uber-Fahrer und andere Gig-Arbeiter aus sozial schwächeren Schichten kommen. Das suggeriert richtigerweise, dass in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit in denen Arbeitnehmer weniger Chancen auf ein traditionelles Arbeitsverhältnis haben die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie sich beispielsweise als Uber-Fahrer selbständig machen. Somit gibt es eine Verschiebung der Beschäftigung, insbesondere in dem Mobilitätssektor in dem Uber operiert, von geringverdienenden Arbeitnehmern zu teilweise prekären Beschäftigungsverhältnissen.

 

JUMS: Aus den Ergebnissen deiner Arbeit lässt sich auch ein Beitrag von Uber zu höherem Wettbewerb im Mobilitätsdienstleistungssektor in den Vereinigten Staaten ablesen. Zusammengefasst: Leisten Gig Economy Firmen einen positiven Beitrag für den Arbeitsmarkt – oder gibt es auch kritische Gesichtspunkte?

Fabien Rozzi: Das Gegenteil würde ich behaupten! Es überwiegen die kritischen Gesichtspunkte der Gig-Economy im Hinblick auf den Arbeitsmarkt. Im Mobilitätsdienstleistungssektor, zum Beispiel, verursacht der stärkere Preiswettbewerb, dass viele Kunden vom Taxi-Dienst auf Dienste wie die von Uber- und Lyft-Fahrer umsteigen und Taxi-Fahrer sich aufgrund geringerer Nachfrage umdisponieren müssen. Obwohl die Gig-Economy für viele Dienstanbieter eine sehr zugängliche, flexible und komfortable Arbeitsmöglichkeit schafft, operiert sie außerhalb volkswirtschaftlicher Stabilisatoren wie die der Arbeitsschutzgesetzgebung, des Versicherungsschutzes und der Sozialleistungen. Weil viele Arbeiter in der Gig-Economy als unabhängige Anbieter und nicht als Arbeitnehmer gelten, sind sie nicht berechtigt gesetzliche Vorteile zu beziehen wie bezahlte Überstunden, Mindestlohn oder andere Arbeitnehmervorteile wie Sozialversicherung, betriebliche Fortbildung, und werden langfristig auf dem Arbeitsmarkt abgehängt. Da es keine statistische Erfassung dieser Arbeiter gibt, ist es für die Politik schwierig zu erkennen wie sich der Einfluss von Online-Plattformen auf diese neue Arbeitsform ausprägt und wie entsprechende Maßnahmen aussehen müssen, um die veränderten Arbeitsmarktverhältnisse für alle Parteien besser zu unterstützen. Mit meiner Arbeit zeige ich auf wie sich diese neue Form der Arbeit und ihr Einfluss auf volkswirtschaftliche Entwicklungen messen lässt.

 

JUMS: Gerade in Deutschland wird die Zulassung von Uber immer wieder von jungen Menschen gefordert und durch die Politik diskutiert. Bisher waren vor allem die Qualitäts- und Sicherheitsvorschriften für Beförderungsdienste eine Hürde. Auch die Auswirkungen auf den Taxi-Markt und damit auch den Arbeitsmarkt sind Argumente. Der Verkehrsminister hat neuerlich angekündigt, eine Zulassung von Uber anzustreben. Was würdest du für den deutschen Arbeitsmarkt bei einer Zulassung erwarten?

Fabien Rozzi: Grundsätzlich halte ich ein Verbot von Uber und andere Fahrdienstvermittlern für falsch. Es wäre aber nur dann richtig, wenn mit der Zulassung auch die richtigen gesetzlichen Regulierungen einhergehen, die von EU- und Bundesrecht kommen müssen. Meine prinzipiellen Erwartungen wären, Regulierungen zu verabschieden, die einerseits Uber-Fahrer aber auch Taxi-Fahrer schützen und eher den Vermittler – also Uber – für rechtliche Konsequenzen in die Verantwortung ziehen. Dazu gehören z.B., dass Uber-Fahrer nur mit gültigem Personenbeförderungsschein und Versicherungsschutz Personen gewerblich befördern dürfen wie es auch für Taxi-Fahrer der Fall ist. Das würde sicherstellen, dass nicht jeder unüberlegt Uber-Fahrer wird, sondern es zu einem Beruf wird und dass Taxi-Fahrer ihrem Markt nicht komplett beraubt werden. Die Verantwortung muss verhältnismäßig und gerecht zwischen dem Vermittler, also Uber, und den Uber-Fahrern aufgeteilt sein was eine schwierige Aufgabe für den Staat ist. Zudem müsste der Vermittler gewisse Auflagen befolgen, wie Mindestpreise oder soziale Vorteile für die unabhängigen Fahrer, die keine Angestellten sind. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass Uber-Fahrer und ihre Einnahmen steuerlich und amtlich erfasst werden. Der Handlungsbedarf ist also nicht unerheblich, um in unserer digitalen Welt einen fairen Arbeitsmarkt zu sichern.

 

JUMS: Deine Arbeit basiert auf der empirischen Auswertung von Daten und du konstruierst komplexere empirische Modelle. Einige Studenten haben Berührungsängste vor statistischen Auswertungen in ihren Abschlussarbeiten. Wie konntest Du dir das notwendige Wissen darüber aneignen – insbesondere, da es sich um ökonometrische Modelle angelehnt an die Volkswirtschaftslehre handelt?

Fabien Rozzi: Das ist richtig und auch mich haben die Erwartungen von meinem Professor am MIT hinsichtlich der ökonomischen Forschungsmethoden etwas eingeschüchtert, doch eben diese Herausforderung habe ich gesucht. Zwar hatte ich Grundlagenwissen aus meinem Studium aber um mir das fehlende Wissen über ökonometrische Modelle und empirische Forschungsmethoden anzueignen habe ich mich in entsprechende Kurse am MIT eingeschrieben, mich autodidaktisch weitergebildet und auch viel Unterstützung von meinem Betreuer, von Kommilitonen und von dem Harvard Data Science Service erhalten. Die Forschungsmethoden an US-Universitäten sind deutlich quantitativer als ich es aus Deutschland gewohnt war, aber das Service-Angebot um Studenten und Wissenschaftler zu unterstützen ist ausgesprochen umfangreich und ich bin froh diese genutzt haben zu dürfen.

 

JUMS: Wie bist du an die notwendigen Daten für deine Auswertungen gelangt?

Fabien Rozzi: Meine Arbeit beruht auf Daten, die ich aus verschiedenen Quellen entnehmen konnte. Die wichtigsten Daten kommen von Regierungsinstitutionen, wie dem US Census Bureau, Finanzbehörden oder dem Bureau of Labor Statistics, die amtlich erhobene Rohdaten aus beispielsweise Steuererklärungen oder aus Bevölkerungsbefragungen (Current Population Survey) erheben. Diese Daten werden für Forschungseinrichtungen zu Forschungszwecken freigegeben, somit konnte ich die Daten über meinem Professor in den USA erhalten. Eine andere Datenquelle, war eine Studie von zwei prominenten Professoren, die Daten aus einer repräsentativen Umfrage erhoben haben um fehlende Statistiken der Regierung zu kompensieren. Die dritte Datenquelle, kommt aus einem von Uber veröffentlichten Bericht, der frei zugänglich ist. Ohne meinen Aufenthalt an einer US-Universität wäre ich an die meisten Daten nicht gekommen oder nur durch umständliche Umwege.

 

JUMS: Was würdest Du anderen Studenten im Vorfeld ihrer Bachelor- bzw. Masterarbeit empfehlen? Worauf müssen sie achten und was waren für dich Herausforderungen?

Fabien Rozzi: Zunächst empfehle ich für sich selbst die zwei Fragen zu beantworten: „welches Themenfeld interessiert mich am meisten?“ und „möchte ich eine praxisnahe Abschlussarbeit in der Industrie schreiben oder eine Forschungsnahe an der Uni?“. Beides hat seine Vor- und Nachteile und hängt von übergeordneten Zielen ab. Dann empfehle ich rechtzeitig anzufangen entsprechende Recherche zu betreiben, um das passende Thema und den passenden Betreuer zu finden. Ich denke es ist wichtig darauf zu achten, dass die eigenen Erwartungen an die Arbeit, an die Methodik und an die Zusammenarbeit mit dem oder den Betreuer(n) gut abgestimmt sind. Eine Herausforderung für mich war sich innerhalb kürzester Zeit völlig neue Forschungsmethodologien anzueignen und sich als Wirtschaftsingenieur in ein fachfremdes Themenfeld einzuarbeiten.

 

JUMS: Du hast dich nach Beendigung deines Master-Studiums für einen Schritt in die Wirtschaft entschieden und arbeitest beim ersten deutschen „Unicorn“ Celonis SE. Zuvor hast du selbst ein Start-Up gegründet. Ist die Wissenschaft noch eine Option für dich?

Fabien Rozzi: Ja, das ist richtig! Ich wollte nach meinem Studium und meinem Start-Up Berufserfahrung sammeln und Celonis war eine sehr gute Opportunität. Neben der Tatsache, dass die Gründer mich mit ihrer Vision immer wieder inspirieren konnten und eine neue und bahnbrechende Technologie-Kategorie erschaffen haben, hatte ich drei Bestrebungen, die mir Celonis bieten konnte: Eine herausfordernde Mission, eine steile Lernkurve und eine aussichtsreiche Perspektive. Die Wissenschaft ist natürlich immer hochspannend aber einen Wechsel ist für mich aktuell keine Option.

 

JUMS: Zum Abschluss des Gesprächs gibt es bei uns immer einen kleinen Ergänzungssatz, den wir dich bitten würden, nun zu vervollständigen: “Eine Abschlussarbeit zu schreiben, bedeutete für mich…”

Fabien Rozzi: …unter Beweis zu stellen, dass man sich eigenständig Ziele setzen kann und in der Lage ist das Wissen zu schaffen um reale Probleme zu lösen.“

 

JUMS: Vielen Dank, lieber Fabien, für die interessanten Einblicke, wie Du zum Thema und der Entwicklung deiner Forschungsfrage gekommen bist. Wir würden dir für deine weitere Zukunft viel Erfolg!

Fabien Rozzi: Herzlichen Dank, für Gelegenheit und Euch auch viel Erfolg!